3/3 (VÖ: 30.09.2022)

Wer sich an 1000 Robota erinnert, erinnert sich an eine sehr junge Version von uns: Bestehend aus drei Teenagern (17 und 18 Jahre alt), die die Musiklandschaft in den späten Nullerjahren empörend dringlich aufwühlten und dabei einen Achtungs-/Medienerfolg hinlegten, wie kaum eine andere Band zu dieser Zeit. Alles ohne Major-Vertrag und wie aus dem Nichts gekommen.

1000 Robota, das waren Sebastian Muxfeldt, Jonas Hinnerkort und Anton Spielmann. 1000 Robota, das sind immer noch Sebastian Muxfeldt, Jonas Hinnerkort und Anton Spielmann.
Wir drei kennen uns, da haben wir noch Kuchen bei Mama gegessen und unseren zehnten Geburtstag gefeiert. Im Dorf im Hamburger Umland aufgewachsen, skateboarden, zum ersten mal rauchen, jemanden knutschen, Geld zusammenkratzen und erste Instrumente kaufen. All das gemeinsam erlebt und entschieden geteilt. Wir wussten zwar nicht, wohin die Reise gehen wird, aber wir wussten, dass uns dieses Dorf hier zu klein wird. Absurderweise ging dann alles in London los. Der NME wurde via Myspace auf uns aufmerksam und sympathisierte mit dem an Krautrock und der frühen Neuen Deutschen Welle erinnernden Sound der Band und ihren reduzierten Texten. Ehe wir uns versahen fanden wir uns in London auf einer Club-Toilette wieder, in der sich gerade Peaches Geldof eine Überdosis Heroin verpasste und sich damit, noch vor unserem ausverkauften Konzert, ins Krankenhaus katapultierte. Absurd war das auch deshalb, weil wir eben auf Deutsch sangen. Das war zur EP „Hamburg Brennt“.

Dann folgten zwei Alben. Das erste kam 2008 bei Tapete Records raus. Das zweite wurde bei Buback Tonträger veröffentlicht (abgeworben vom in die Band verliebten Malerfürsten Daniel Richter). Deutsche Kritiker*innen und Intellektuelle wurden hellhörig und fingen an uns emporzuheben.
Was wir als spaßiges Medienspiel wahrgenommen hatten, entpuppte sich allerdings als seltsamer Backlash deutscher Ernsthaftigkeit und Spießigkeit. Musik machen, unser Ding machen, das sollte uns eigentlich aus tradierten Formen befreien. So verstanden wir zumindest Pop und Musikkultur. Irritierend schön.

Dazu kam ein Aspekt, den nur wenige kannten, da Anton ihn aus Scham versteckte: seine Herkunft und die schweren Jahre, die seine Eltern in Deutschland hatten, nachdem sie in den 90ern aus Russland ausgewandert waren. Er fühlte sich nie irgendwo zuhause oder akzeptiert. Weder in Russland noch in Deutschland.

Namhafte Bands wie Fettes Brot, Franz Ferdinand, die Arctic Monkeys, Rammstein u.a. riefen an, wollten uns auf Tour mitnehmen, Kollaborationen oder Ähnliches. Das war toll. Ablehnung blieb natürlich auch nicht aus, genau wie Anfeindungen und Hatespeech, bevor dies überhaupt zum „normalen“ Umgangston im Netz mutierte.

Sogar Stefan Raab wollte uns auf seine TV-Total Couch holen. Haben wir damals aber nicht gemacht. Die Anfrage Rene Polleschs, ein Stück („Schmeiß dein Ego weg!“) für die Volksbühne in Berlin nach dem gleichnamigen Song von uns zu benennen, sowie Musik zu verwenden, schien schon aushaltbarer.

Die ersten, stürmischen Jahre wurden 2011 in der Doku „Utopia Ltd.“ festgehalten. Der Film hat die Berlinale in der Sektion Perspektive Deutsches Kino eröffnet und das Prädikat „Wertvoll“ erhalten. Dieser Spagat und das Jonglieren zwischen Pop, Indie, (Hoch-)Kultur – selten und dennoch möglich – fühlte sich divers und richtig an.

Wir taten, was natürlich schien und für jede gute Punkband gilt. Mach zwei gute Alben und dann geh üben oder mach was anderes. Also sind wir los, Anton ans Theater, zu Film & Schauspiel, Jonas zur bildenden Kunst und Basti hat es technisch ins Tonstudio und die Musikproduktion getrieben. Über die Jahre fiel uns auf, dass das, was wir schon damals suchten so vielschichtig ist, wie das Leben, das wir leben wollen, während alle anderen Pläne machten. Ein Leben das sich eben nicht runterbrechen lässt auf eine Marktlogik oder Flexibilität, auf einen Sound, auf Rock, Pop oder Punk.

Am 30. September erscheint unser neues Album “3/3” nach 10 Jahren (plus 2 Jahre, die wir nicht gelten lassen). Dieses Album ist eine Explosion und Implosion zugleich. Heißt: Auf unserem neuen Album ist die dringliche Energie des ersten Albums genauso spürbar, wie die düstere Nachdenklichkeit des zweiten Albums.

Wir fanden einen neuen Weg den gleichzeitigen Gesang von Anton und Jonas zu einer eigenen 1000 Robota-Stimme zu vereinen. Wie ein Gewucher der Natur, mysteriös, vielschichtig und trotzdem deutlich. Verdickt schlingen sich auf unserem neuen Album Text, Sprache, Melodie und Rhythmus zu einem chaotischen Ganzen.

Dasselbe gilt für die Interpretation unserer Texte. Facettenreich und poetisch schaffen sie Deutungsräume und verflechten zeitaktuelle gesellschaftliche mit persönlichen Reflexionen zu einer Art Echokammer ihrer selbst. In Zeiten von Verunsicherung, Komplexitätsreduktion, Gewalt, Anfeindung, Angst und Ideologie Verengung kann dieses Album tröstend sein.

Es ist ein unhörbares aber kein unerhörtes Album. Beziehungsstatus: Kompliziert. Gut. Auf Facebook vielleicht. In Wahrheit ist es mit 1000 Robota ganz einfach. Wie bei einem Kuchen für das es kein Rezept gibt. Ein Familienrezept. Das kennt eben nur die Familie, der Kuchen schmeckt auch nur gut, wenn er von dieser Familie gebacken wird. Dieses Album wurde von uns gebacken, wir haben es 2020 in Hamburg und Wien selbst geschrieben, produziert, aufgenommen und gestaltet.

Aber. Punkige Do-it-yourself- sowie neoliberale Arbeitsethik mal beiseite. “Zurück zum Ursprung”, Achtsamkeit, Selfcare, darum geht es uns nicht. Wir wollen weder die Welt zerstören, noch wollen wir sie retten. Für uns gibt es ein Richtig im Falschen.
Wir tun das, was wir tun, auf die Art, wie wir es haben wollen. Hingebungsvoll!, auch wenn das für die ein oder andere nicht immer gleich sinnvoll erscheint. Das Album ist wie ein Vakuum. Es passt sich dir an, es nimmt dir die Luft, umwickelt dich, schmiegt sich an dich, ohne sich anzubiedern. Eine künstliche Haut aus übrig gebliebener Materie.

Die grafische Gestaltung führt diese Idee weiter aus. Jede Platte ist physisch (per Hand) individuell von uns gestaltet worden. Kein Artwork sieht gleich aus. Durch Heißluft werden handelsübliche Supermarkttüten um die Albumhülle geschmolzen. Faktisch gibt es kein “grafisches Artwork”, es ist physischer Natur und schafft sich seine ganz eigene Form, die zu immer wieder neuen, unberechenbaren Oberflächen, Kerben und Strukturen führt, zu einer zusammengeschmolzenen und übersehenen Welt. Wahrscheinlich unsere Welt.

1000 Robota

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1000 Robota-Hamburg brennt (official)

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