Black Heino
Menschen und Maschinen (VÖ: 25.09.2020)
Wer kennt es nicht: Eben genoss man noch den kühlen Smoothie in der Hand, die Vorzüge der digitalen Welt und ihrer ebenso praktischen wie unermüdlichen, mit Einsen und Nullen gefütterten Helferlein, und wenig später findet man sich zur nachtschlafenden Zeit in der Schlange vorm Jobcenter wieder, um einer „Einladung" nachzukommen. „Besen, Besen, seid‘s gewesen!" möchte man da ausrufen.
Unermessliche Produktivkräfte wurden freigesetzt – dummerweise man selber gleich mit. Da kann man schon ins Grübeln kommen. Etwa darüber, ob man in der Beziehung zum Smartphone in der Hosentasche eigentlich eher Herr oder eher Hündchen ist (die Antwort dürfte für uns alle unerfreulich ausfallen) oder darüber, warum das Versprechen mit Hilfe von genügsamen Sklaven aus Stahl (=Maschinen) die Arbeit im wahrsten Sinn des Wortes endlich los zu sein, zur existentiellen Bedrohung wurde. Fragen über Fragen. Ins Grübeln kamen auch BLACK HEINO und widmeten ihre neue Langspielplatte zur Gänze dem Gegensatzpaar Menschen und Maschinen. Sie nahmen in einer dreitägigen Session im „Schaltraum"-Studio von Beatsteaks Drummer Thomas Götz ihren raubeinigen Politrock zum Thema auf und benannten vorliegendes Album schlussendlich ganz prosaisch „Menschen und Maschinen".
Erster Eindruck: Beats und Kritik mal wieder messerscharf!
Zweiter Eindruck: Die zum Quartett gewachsene Band um Chefdenker Diego Castro verfeinert auf ihrem zweiten Album ihren patentierten Tiefgaragenrock. Auf der einen Seite noch fetziger, noch radikaler, noch mehr Vorschlaghammer – um nicht zu sagen noch mehr Dampfmaschine. Auf der anderen Seite Melodien und Harmonien, welche an The Jam, Magazine und selbst an einen frühen Bruce Springsteen erinnern. Mit „Pfaffenbrot" beleben sie sogar das sträflich übersehene Glam-Rock-Junk-Shop-Boot-Boy Genre neu.
Da möchte man direkt sein Smartphone in die schlammige Spree schmeißen, ob aus Wut oder aus Freude: Egal. Ein Beat, ein Style, der die Blinden sehend macht und die Toten wiederauferstehen lässt. Hallelujah! Die wilde Fahrt geht vom Kaiser, Roland („Schachmatt") zu King Ludd („Social Bot"), vom Gespenst des Kommunismus zum Gespenst der Nutzlosigkeit in drei Minuten, es geht nach oben (Fahrstuhl) und nach unten (Seil vom Fahrstuhl gerissen). Black Heino sind Maschinenstürmer mit qualmenden Vox-Gitarren, sind der rote History-Channel mit einem Beat. Sie sind die neuen Redskins, allerdings mit Haaren. Arbeiter*innen, Arbeitslose, blaue und weiße Kragen, Mods und Rocker, Smartphonebesitzer*innen und Jobcenterschlangenansteher*innen: Hört „Menschen und Maschinen!", das neue Album von BLACK HEINO!