Brace/Choir
Turning On Your Double (VÖ: 21.02.2014)
Turning on Your Double, der Nachfolger der selbstbetitelten EP von 2010 der Band Brace/Choir, ist eine ungewöhnliche Mischung aus Trance-Rock, Avant-Americana und Minimal Psychedelia, hervorgebracht von Farfisa-Orgeln und Synthesizern, manipulierten Gitarren, doppelten Bässen sowie Percussion und Schlagzeug. Aufgenommen wurde das Album zwischen 2010 und 2012 in Berlin; es erzählt dunkle und oft rauschhafte Geschichten über das Thema Geisteskrankheit. So reflektieren Brace/Choir auf den Stücken über Kämpfe mit sexuellen Anomalien, zwanghaftem Verhalten, sowie psychischer bzw. psychischer Gewalt.
Aber es geht auch um eine Art umgekehrte multiple Schizophrenie mit eigenem Konfliktpotenzial: vier Personen empfinden sich als eine musikalische Entität und spähen den Rissen in ihren Persönlichkeiten nach, sobald die Musik aufhört. Um den Persönlichkeitsverflechtungen musikalisch Ausdruck zu verleihen, tauschen die Mitglieder konsequent ihre Instrumente und schreiben die Texte ganz bewusst nicht für sich, sondern für ihre Mitstreiter. Aus der Musik lassen sich viele, sehr verschiedene Einflüsse heraushören: Manchmal fühlt man sich an Bongwater erinnert, dann wieder an die Replacements, an Faust, die Stranglers oder Wipers, an Roky Erickson oder The Grateful Dead während ihrer Aoxomoxoa-Phase – manchmal im Sound, zuweilen im Geist.
So potenziert sich die Multiplizität der Klänge um ein Vielfaches – und formt sich zu einem faszinierenden Ganzen. Mit Five Fingered Leaf verbeugen sich Brace/Choir vor dem russischen Dichter Arseni Tarkowski, dessen Gedicht Auch der Sommer verschwand (vorgetragen in Stalker, dem berühmten Film seines Sohnes Andrei) sie fulminant in Musik verwandeln. Weitere Themen wie Cuckold-Dasein (Be Let Down), Technikneurosen (Coil), Drogenabusus (Satisfier) oder der Tod Osama bin Ladens (Fallmen) bekommen dank des feinfühligen Songwritings und meisterhafter Improvisationen eine ungeahnte Dringlichkeit.
Die beiden Schulfreunde Alex Samuels und Max Gassmann aus Massachusetts lernen den Berliner Christoph Adrian und den Kalifornier Dave Youssef 2005 in Berlin kennen, wo sie die von Joy Division inspirierte Speed-Surf-Band Dus Vor Kount gründen. Samuels studiert zu dieser Zeit in Berlin Philosophie und arbeitet nebenbei als Journalist. Gassmann ist Straßenmusiker und Fahrradmechaniker. Die Band schrumpft kurz darauf zu einem Duo, weil Youssef und Adrian sich um Doktorarbeit bzw. Sprach- und Medienstudien kümmern müssen. Samuels und Gassmann sind deshalb gezwungen, mehr Instrumente zu lernen. 2008 kommen die vier wieder zusammen und gründen Brace/Choir, von Anfang an mit der Absicht, sich nicht auf ein Instrument festzulegen und die Texte nicht für sich, sondern für die anderen zu schreiben.
Die Band trat bereits in den wichtigsten Venues Berlins auf, so zum Beispiel im Berghain, im Urban Spree und in der Wilden Renate. Sie spielte als Support unter anderem für Kurt Vile, Shrinebuilder und Psychic Ills. Brace/Choir traten auf dem 2011er Friction Fest auf sowie auf diversen Fusion-Festivals. Ihre Songs waren bereits in Tom Robinsons BBC-Sendung Introducing und auf diversen US-Radiostationen (z. B. 97.3 WRIR Richmond, VA, sowie 88.1 KHDX St. Louis) zu hören. Neben Art Zoyd, Jarboe, John Zorn, Gavin Friday und anderen steuerten auch Brace/Choir einen Song für eine Compilation des schwedischen Malört-Verlags anlässlich der Neuauflage des okkulten Klassikers Le Diable amoureux von Jacques Cazotte bei.