Östro 430
Punkrock nach Hausfrauenart (VÖ: 1. September 2023)
Östro 430 waren schon immer eine sehr besondere Band. Eine kurze Zeitreise:
Es sind die späten 70er- und frühen 80er-Jahre, und in Düsseldorf proben Dutzende junger Gruppen die Revolution: Male, Mittagspause (später Fehlfarben), ZK (später Tote Hosen), S.Y.P.H., Der Plan, DAF. Ihre Barrikade, Bühne und Biertresen ist der Ratinger Hof, der schnell zum deutschen „Mekka des Punk“ wird. Doch selbst hier verstoßen Östro 430 gegen jedes Gesetz.
Ihre Musik ist aufgedreht, melodiös, brachial und Do-it-Yourself. Die Krönung sind die Songtexte: Lieder wie „Sexueller Notstand“, „S-Bahn“ und „Zu cool“ werden zu Klassikern. Sie schaffen es ins Fernsehen, den britischen NME und sogar in die BRAVO. Die Welt braucht die Östros, aber sie verpasst ihre Chance: 1984 lösen sich Östro 430, Role Models in einer Zeit, als es den Begriff noch nicht einmal gab, nach einer Abschiedstour auf.
39 Jahre später bekommt die Welt eine zweite Chance. Als Erste erkennen das Tapete Records. Schon 2020 veröffentlichen sie Östros komplette Studio-Aufnahmen aus den 80ern neu, die Compilation „Keine Krise kann mich schocken“. Die Resonanz ist überwältigend: Die Feuilletons adeln Östro 430 plötzlich zur Hochkultur, jüngere Musiker erweisen ihre Referenz.
Das Undenkbare geschieht: Östro 430 tauchen auf Tribute-Alben und -Veranstaltungen für Rio Reiser und Stoppok mit neuen Cover-Aufnahmen auf Und sie spielen wieder live. Neue Ideen werden zu neuen Stücken, treffen auf das alte Band-Motto „Nicht labern, sondern machen“ – und so entsteht zwangsläufig das neue Album: „Punkrock nach Hausfrauenart“
Alte Männer, wohin man blickt. Und Klugscheißer. Und Wörterpolizisten. Ewig-Gestrige, die glauben, sie würden gegen den Strom schwimmen. Selbsternannte Welterklärer, die mit dem SUV zu Lahmarsch-Fêten fahren. Aber es gibt noch ein Fünkchen Hoffnung, vielleicht doch das ganze System zu ficken. Schließlich gibt es noch scharfe Männerhintern – und Östro 430.
Östro 430 können nicht anders, als anders zu sein als alle anderen. Punkrock, aber nach Hausfrauenart: keine Gitarren – und trotzdem straight. Dazu Texte, die das Reimlexikon neu erfinden: Sie dichten „Diktator“ auf „Vibrator“ und „Hintern“ auf „Pimpern“. Sie teilen aus gegen jede Art von Spießertum: machtgeile Populisten, konservative Alt-Punks, ignorante Umweltschweine und politisch Überkorrekte, die Shitstorms diktieren. Und die Östros können sogar anders als anders, nämlich verletzlich sein. In „Bleib hier“ heißt es: „Du sagst, ich lieb aus Angst vor dem Alleinesein und jedes Wort tritt meine Zukunft ein“.
Östro 430, die ungewollten Role-Models der Ü50-PunkerInnen, teilen wieder aus & prangern an – schmackhaft, nachhaltig & wohl bekömmlich.
Köchinnen:
Martina Weith: Gesang, Saxophon, Akkordeon
Bettina Flörchinger: Keyboards, Synthesizer
Anja Peterssen: Bass
Kantina Kasino: Schlagzeug
Menü:
1. Alte Männer
Das Elend, an dem die Welt krankt: Kirche, Populisten, Fanatiker...
2. Klugscheißer
Das Elend, an dem alle Frauen leiden.
3. Bleib hier
Das Elend mit dem Heartbreak.
4. Fick das System
Das Elend im Allgemeinen.
5. Kiribati
Das Elend von Nord- bis Südpol.
6. Dein Hintern
Das Elend mit den Hormonen.
7. Wörterpolizei
Das Elend mit humorlosen Bessermeinenden.
8. Gegen den Strom
Das Elend mit den ewig Gestrigen.
9. Lass los
Das Elend, zu viel auszuhalten.
10. Giftig
Das Elend mit den Umweltsünden.
11. Lahmarschfete
Das Elend mit der Langeweile.
Auf „Punkrock nach Hausfrauenart“ sagen nun auch Bela B. von den Ärzten, Bärchen & die Milchbubis und Stefan Stoppok mit ihren musikalischen Gastbeiträgen als Kronzeugen für die Gruppe aus. Einst waren Östro 430 Vorbilder, als es Bezeichnungen wie Rrriot Girls und Role Models noch nicht gab. Und auch heute sind sie wieder Wegbereiter.
Wegbereiter wofür? Bis die Welt das passende Wort gefunden hat, nennen wir’s einfach „Punkrock nach Hausfrauenart“.
– Oliver vom Hofe