Rocko Schamoni
Musik für Jugendliche (6. September 2019)
Nach zwölf Jahren ohne Plattenveröffentlichung unter eigenem Namen und mit eigenen Songs (also abgesehen von dem Tribute-Machwerk „Die Vergessenen“ und einigen Fraktus-Tonträgern) veröffentlicht Rocko Schamoni im Herbst 2019 sein achtes reguläres Album: Musik für Jugendliche. Übrigens gerade rechtzeitig zu seinem 35-jährigen Bühnenjubiläum, denn im Jahr 1984 begann seine lange, schlingernde und Haken schlagende Bühnenkarriere. Zwar schwor Schamoni bei seinem letzten regulären und titellosen Album im Jahr 2007 der Musikproduktion und dem ewigen ermüdenden Veröffentlichungsreigen ab, aber nach zwölf Jahren hat der Delinquent schlichtweg vergessen, warum er eigentlich im Gefängnis sitzt. Dieser Abschied sollte übrigens nie ein Abschied von der Musik sein, im Gegenteil, er sollte die Musik von ihrer Zweckorientiertheit in Schamonis Leben befreien, was – nach eigenem Bekunden – durchaus gelungen ist. Nun hat sich allerdings wieder genug angesammelt: Töne, Noten, Stimmungen, Akkorde, Worte, Melodien, Sentimentalitäten, Liebesbekundungen, Referenzen, schlicht: Musik.
Aus hunderten von auralen Skizzen und Fragmenten entstanden neun Songs und eine Reprise, die sich stimmungsvoll aufgespannt wissen wollen zwischen dem 70er-Jahre-Italo-Pop eines Lucio Battisti, Filmscore-Zitaten des Schamoni-Idols Morricone oder aber der soulesken Trockenheit eines Michael Kiwanuka.
Die Produktion der Platte ging einher mit der Krankheit und dem Tod von Schamonis Vater und so finden sich in der Musik und in den Texten immer wieder Versatzstücke dieses Verlustes, vom Abschiednehmen von geliebten Menschen (Wiederholung: Schamonis Mutter starb kurz vor der Veröffentlichung seines letzten regulären Albums), gewohnten Lebenssituationen oder gleich ganzen Kulturzusammenhängen; Texte, in denen Schamoni das Ende der menschlichen Welt trocken und abgeklärt berechnet.
Mit dem Vorrücken in die direkte Todeszone – denn nach dem Tod der Eltern ist die nächste Generation, die gehen muss, immer die eigene – mit den aufgewirbelten Erinnerungen, die so ein Abschied auslöst, erscheint die eigene Jugend wieder stärker im Fokus. Ein Prozess des Reflektierens und Abgleichens, des Verstehens für Entscheidungen der Vorangegangenen und für das eigene Werden und Vergehen beginnt. Irgendwann begreift man: die eigene Jugend vergeht nie. Sie steht für immer in ihrem ganzen Glanz fest in der Zeit und der Erinnerung. Und man kann sie doch nie wieder berühren.