Urlaub in Polen
All (Out November 6, 2020)
It has been nine years since Urlaub in Polen announced they were disbanding with the release of their fifth album Boldstriker. However, drummer Jan Philipp Janzen and multi-instrumentalist and singer Georg Brenner have always made up one of those rare and highly unlikely bands who, despite market laws to the contrary, have put the context of their own work above fads and opportunity without ever denying that they inhabit a particular historical moment. On All, their unexpected sixth album, it becomes immediately clear that the term »reunion«, at least in the sense we’ve gotten used to, does not do justice to this particular ocurance. All is light years away from offering a lukewarm rehashing of ancient recipes for success - the album is highly ambitious and sounds fresh in its concentrated performance—not unlike a debut. This is because the considerable advantages of a long-term musical relationship are at display throughout the record. Not only with regards to the tightness of performance, which was and is every bit as unbelievable as everyone says, particularly those who have been privy to their ecstatic live performances, but also regarding a level of musical familiarity withone another; a rare feat that has always carried the band’s musical explorations, and which balances the dynamics and structures of All as a whole. This interplay is accentuated by the record’s production, for which Janzen (among others a founding member part of Von Spar, current drummer of Die Sterne and producer of Die Sterne, The Field, PTTRNS, Albrecht Schrader etc.) and Brenner are also responsible.
Urlaub in Polen have also always been a band that defies categorization. All is probably their most formally coherent album so far, but it is nevertheless anything but a work of genre: What the songs on All have in common is an architecture evoking Krautrock, developing sprawling synthesizer and guitar workouts on the foundations of finely woven rhythm arrangements. The echoes of West Coast Pop (the harmonies and the bass!), of Rhineland Tech House and of early Dire Straits (the vocals and the guitar production!) make All a characteristically versatile and international affair. The album shares with their previous efforts the interest and attention for sonic textures and contrasts, but showcases more constraint and focus. In place of noise, details and the enormous joy of playing between Brenner and Janzen come to the fore, equally in the stoic Desert Kraut hits »Impulse Response« and »THDT,« the polyrhythmic »Overall«, or the discoid »Proxy Music.« All as a musical statement thus bears witness to the fact that Urlaub in Polen’s artistic vision is not centred by musical niche or content, but by formal considerations and the ever new presence of playing together: All, in this sense, stands for nothing more and nothing less than the latest expansion of their oeuvre.
Deutscher Pressetext
Neun Jahre ist es her, dass Urlaub in Polen mit der Veröffentlichung ihres fünften Albums Boldstriker auch ihre Auflösung ankündigten. Schlagzeuger Jan Philipp Janzen und Multiinstrumentalist und Sänger Georg Brenner haben aber schon immer eine der seltenen und höchst unwahrscheinlichen Bands gebildet, die trotz anderslautender Marktgesetze den Zusammenhang des eigenen Werks über Trends und Gelegenheiten gestellt hat – ohne dabei zu leugnen, einen je bestimmten historischen Moment zu bewohnen. So wird auf All, ihrem unverhofften, sechsten Album, sofort klar, dass der Begriff der »Reunion«, zumindest im landläufigen Sinn, dieser Angelegenheit nicht gerecht wird. Denn All ist Lichtjahre davon entfernt, einen lauwarmen Aufguss ehemaliger Erfolgsrezepte darzubieten. Stattdessen ist das Album hochgradig ambitioniert und klingt in seinem konzentrierten Vortrag frisch – und doch nicht wie ein Debüt. Denn die erheblichen Vorzüge einer musikalischen Langzeitbeziehung sind an jeder Stelle des Albums merklich. Damit ist nicht nur die Tightness des gemeinsamen Spiels gemeint, die tatsächlich so unfassbar war und ist, wie alle, die Urlaub in Polen live gesehen haben, sagen. Gemeint ist auch eine nur schwer zu erreichende, musikalische Ebene der Vertrautheit mit sich und miteinander, die schon immer die musikalischen Erkundungsreisen der Band getragen hat und die die Dynamiken und Strukturen von All im Ganzen austariert. Akzentuiert wird das Spiel dieser Wechselwirkungen durch die Produktion, für die Janzen (u.a. Gründungsmitglied Teil von Von Spar, aktueller Schlagzeuger von Die Sterne und Produzent von Die Sterne, The Field, PTTRNS, Albrecht Schrader etc.) und Brenner auch verantwortlich sind.
Urlaub in Polen war auch schon immer eine Band, die sich jeder Kategorisierung entzogen hat. All präsentiert ihr bislang wohl formal kohärentestes Album, ist aber dennoch alles andere als eine Genrearbeit: Gemeinsam ist den Songs auf All eine Architektonik, die an Krautrock denken lässt und die die weit ausgreifenden Synthesizer- und Gitarrenfiguren auf das Fundament eines fein gewebten Rhythmusarrangements stellt. Die Anklänge an Westküstenpop (die Harmonien und der Bass!), an rheinischen Techhouse und an frühe Dire Straits (der Gesang und die Gitarrenproduktion!) machen All aber zu einer so typisch vielseitigen wie internationalistischen Veranstaltung. Das Album teilt mit den Vorgängeralben das Interesse und die Aufmerksamkeit für klangliche Texturen und Kontraste, geht dabei allerdings zurückhaltender und konzentrierter zu Werke. An der Stelle des Noise rücken Details und die enorme Spielfreude zwischen Brenner und Janzen in den Vordergrund, und zwar gleichermaßen in den stoischen Wüstenkrauthits »Impulse Response« und »THDT«, der polyrhythmischen Nummer »Overall« oder dem discoiden »Proxy Music«. All als musikalisches Statement legt so Zeugnis davon ab, dass für Urlaub in Polen nicht eine musikalische Nische oder inhaltliche Ausrichtungen entscheidend sind, sondern formale Erwägungen und die immer neue Gegenwart des gemeinsamen Spiels: All steht so für nicht mehr und nicht weniger als die neueste Erweiterung ihres Gesamtwerks.